Kreuvfs Allerweltsblog

2010-03-09

Dell & Ubuntu

Abgelegt unter In eigener Sache,Software,Wortschatz/Sprache von Kreuvf um 11:17:21

Oder: Wie wichtig ist es Dell Computer mit vorinstalliertem Ubuntu zu verkaufen?

Vor einiger Zeit gab es ja einen relativ großen Medienrummel darum, dass Dell Ubuntu vorinstalliert ausliefert. Eine Zeit lang konnte man direkt von der Startseite aus ein Untermenü zu Ubuntu-Laptops anklicken. Mittlerweile hat sich das geändert und es ist mir nicht gelungen diesen Unterpunkt wiederzufinden. Stattdessen habe ich einfach nach „Ubuntu“ gesucht und noch vor den Suchergebnissen wurde ein Link präsentiert: Dell | Ubuntu – Und das Leben wird angenehmer.

Ubuntu bei Dell

Auf dieser Seite soll einem Ubuntu näher gebracht werden, dachte ich. Stattdessen fängt Dell mit Anti-Marketing an. Der erste Satz verheißt schonmal nichts Gutes: „UBUNTU ist ein Open Source-Betriebssystem – das heißt, es ist nicht mit Microsoft WINDOWS oder anderen Microsoft-Programmen (darunter Outlook oder iTunes) kompatibel.“ Nur weil ein Betriebssystem Open Source ist, heißt das noch lange nicht, dass es „inkompatibel“ zu Microsoft Windows sein muss. Mir fällt das ReactOS als Gegenbeispiel ein.

Und so geht es noch weiter:

Vorteile von UBUNTU

  • Sie sind zuverlässiger und flexibler als Microsoft-Programme.
  • Updates und Fehlerbehebung erfolgen schneller und sind kostengünstiger.
  • Experten können das Programm anpassen – das heißt, es ist genau auf Ihre Anforderungen zugeschnitten.

Informationen zu UBUNTU

  • Um Open Source-Software einsetzen zu können, sind teilweise gute oder sehr gute technische Kenntnisse erforderlich.
  • Die meisten Open Source-Programme sind nicht mit Microsoft-Programmen kompatibel.
  • Sie müssen lernen, wie Sie neue Programme verwenden.

Okay, dass man unter Ubuntu Microsoft-Programme nicht oder nicht direkt einsetzen kann, ist eine wichtige Information. Nur steht das da eben nicht. Dort wird von Kompatibilität geschwafelt und der Eindruck erweckt, dass alle meine MSO-Dokumente unter Ubuntu nicht mehr zu öffnen wären. Ist natürlich gequirlte Scheiße. ^_^

Bei guten oder sehr guten technischen Kenntnissen muss der Durchschnittsnutzer erstmal sofort an den krassen Computerjunkie von Nebenan denken und so wie der will er natürlich nicht werden. Zumal das Argument schlicht schwach ist. Ubuntu hat es tatsächlich geschafft mit all den mitgelieferten Programmen ein Rundum-Sorglos-Paket für den Durchschnittsanwender zu schnüren, sodass die Kommandozeile im Normalfall nicht mehr gebraucht wird. Sonderausgaben für ein Officepaket oder Grafikbearbeitungssoftware sind nicht notwendig, was natürlich verschwiegen wird.

Ebenfalls aufgegriffen wird die Anforderung den Umgang mit neuen Programmen zu lernen. Und „lernen“ ist für den Durchschnittsmenschen ein Signalwort von warnendem Charakter und in der Regel negativ besetzt, da es ja mit Arbeit verbunden ist etwas zu lernen.

Mich erinnert diese Wahrheitsverzerrung und die deutliche Fehldarstellung daran wie microsoft-nahe Unternehmen Einfluss auf die OSS-Strategie der EU nehmen. Es würde mich auch nicht wundern, wenn Microsoft auch dieses Mal notorisch seine dreckigen Finger im Spiel gehabt hat.

Windows vs. Ubuntu

Aber es geht noch weiter! Wer an dieser Stelle noch unentschlossen ist, ob er Ubuntu trotz mangelnden sehr guten technischen Kenntnissen und der Drohung den Umgang mit neuen Programmen lernen zu müssen nutzen sollte, dem wird eine Entscheidungsseite zwischen Windows und Ubuntu präsentiert. Dass es auch hier eine sehr deutliche Färbung gibt, ist selbstverständlich.

Folgende „Fakten“ werden präsentiert:

UBUNTU ist kein Microsoft Windows-Betriebssystem und nicht mit Microsoft Office-Programmen kompatibel. Daher ist es wichtig, dass Sie die richtige Entscheidung treffen:

Haha, ihr seid so durchschaubar. Ihr sagt erstmal, was Ubuntu nicht ist, womit ihr mit einer verneinenden Aussage anfangt. Das wirkt erstmal gleich schlecht auf das Bild, das von Ubuntu gezeichnet wird. Zudem ist es keine Beschreibung zu sagen, was etwas nicht ist: Ein Baum ist kein Auto. Wir wissen jetzt zwar, dass der Baum kein Auto ist, aber haben trotzdem keine Ahnung, was denn nun ein Baum tatsächlich ist.

Dann baut ihr Druck auf, indem ihr dem potentiellen Kunden nahelegt, dass dieser eine richtige Entscheidung treffen muss. Und aus Managerstudien ist bekannt, dass das Treffen von Entscheidungen besonders stressend ist. Dabei ist allein diese Darstellung schon absolut falsch. Während Ubuntu vollkommen kostenfrei bezogen werden kann und man gerade als Privatanwender als erstes sicher die Kosten im Blick hat, muss man für Microsofts Windows einiges an Geld hinlegen, auch für OEM-Versionen. Es gibt also gar keine falsche Entscheidung. Entscheidet man sich für das OEM-Windows, kann man Ubuntu genauso kostenlos wie vorher beziehen. Es ist sogar so, dass bei der Wahl von Ubuntu man Windows eben nicht einfach nachträglich noch als OEM-Version holen kann, stattdessen werden da zwei- bis dreistellige Beträge fällig! Vielleicht gibt es dann ja doch eine falsche Entscheidung. :X

Wer nun erwartet, dass es einen langen Fragebogen mit anschließender Auswertung gibt, in dem zum Beispiel nach den Nutzungsgewohnheiten gefragt wird, der ist auf dem Holzweg: Dell hält es nicht für nötig seine potentiellen Kunden umfassend zu informieren. Stattdessen werden gezielt Falschinformationen verbreitet:

Entscheiden Sie sich für WINDOWS, wenn:

  • Sie bereits WINDOWS-Programme (z. B. Microsoft Office oder ITunes) verwenden und sie weiterhin verwenden möchten
  • Sie mit WINDOWS vertraut sind und nicht mit neuen Programmen für E-Mail, Textverarbeitung usw. arbeiten möchten
  • Sie keine Erfahrung mit Computern haben

Ja, das ist tatsächlich alles! Punkt 1 ist eine langweilige Wiederholung der bisherigen Punkte, gibt es denn sonst nichts? Punkt 2 zielt, auch psychologisch raffiniert gemacht, darauf ab, dass ein Mensch in der Regel das bevorzugt, was er kennt, auch wenn das andere besser sein sollte. Und Punkt 3 ist schlichtweg gelogen: Wer keine Erfahrung mit Computern hat, ist bei Problemen unter Windows genauso auf externe Hilfe angewiesen wie unter Ubuntu. Nur kann man bei Ubuntu für das Geld, das man für eine Windowslizenz ausgegeben hätte, einen Supportvertrag abschließen. Oder einfach im Internet suchen und dafür mit seinen Freunden Eis essen gehen.

Was spricht nun für Ubuntu?

Entscheiden Sie sich für UBUNTU, wenn:

  • Sie Microsoft WINDOWS nicht verwenden möchten
  • Sie mit neuen Programmen für E-Mail, Textverarbeitung usw. arbeiten möchten
  • Sie sich für Open Source-Programmierung interessieren

Auch das ist natürlich ein Witz. Die erste Aussage ist wieder verneinend, zielt darauf ab, was man nicht will und sagt absolut nichts über die Produkteigenschaften oder die Eignung für einen selbst aus. Ein Grund Ubuntu zu verwenden könnte ja zum Beispiel sein, dass man nach der Installation alles direkt unter Dach und Fach haben möchte oder das zentrale Softwareverzeichnis und die einfache Installation und Deinstallation schätzt. Der Punkt 2 ist ebenfalls vollkommen aus der Luft gegriffen. Dass ich unter Ubuntu mit anderen Programmen arbeiten muss, liegt nunmal in der Natur der Sache. Es ist vollkommen unerheblich, ob ich das will oder nicht, ich werde es fast zwangsläufig müssen. Und man kann den Spieß auch umdrehen und den Windowsprogrammierern vorwerfen keine Ubuntu-Versionen anzubieten. Zudem schwingt hier wieder der bereits angedrohte Lernaspekt mit. Gerade weniger computer-affine Menschen sind ja bereits glücklich, wenn sie „ihre Programme so halbwegs bedienen können“ und ein Wechsel zu anderen Programmen ginge da gar nicht! Punkt 3 ist dann der absolute Killer für alle Nicht-Computerjunkies! Da wird von Programmierung geredet und das ist ja nur was für Computerfreaks und so einer will ja niemand werden. Zumal das sachlich natürlich mal wieder absoluter Scheißdreck ist: Open-Source-Programmierung kann ich unter jedem Betriebssystem machen, sogar unter Windows!

Fazit

Dell hat keinerlei Interesse daran auch nur einen Laptop oder auch sonstigen Computer mit Ubuntu zu verkaufen. Genauso wenig interessiert es Dell, dass der Kunde eine vernünftige Gegenüberstellung von Windows und Ubuntu braucht, um eine fundierte Entscheidung zu treffen. Die vorhandene Gegenüberstellung weist eine meiner Meinung nach deutliche Microsoft-Handschrift auf, was vor allem auf psychologisch geschickte Aussagen zurückführbar ist. Dieses Geschäftsgebahren ist für mich nicht hinnehmbar, weshalb ich Dell nach Möglichkeit meiden werde.